Stille Entzündungen (auch „silent“ oder „low-grade inflammation“) sind unterschwellige Entzündungen im Körper, die oft lange unbemerkt bleiben. Sie zeigen sich meist nur durch allgemeine Beschwerden wie Müdigkeit oder Konzentrationsprobleme.
Über Jahre können sie unbemerkt Körperfunktionen stören und chronische Krankheiten fördern.
Folgen für die Gesundheit
Stille Entzündungen gelten inzwischen als wichtiger Risikofaktor für zahlreiche Erkrankungen, darunter:
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen (z. B. Arteriosklerose, Bluthochdruck, Herzinfarkt, Schlaganfall)
- Typ-2-Diabetes und metabolisches Syndrom (Übergewicht, Insulinresistenz, Fettstoffwechselstörungen)
- Autoimmunerkrankungen wie Hashimoto-Thyreoiditis, Rheumatoide Arthritis, Multiple Sklerose
- Neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson, Demenz
- Chronische Erschöpfung und Energieverlust
- ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom)
- Long-Covid – viele Symptome überlappen mit ME/CFS und können durch stille Entzündungen begünstigt werden
- Depressionen und andere psychische Erkrankungen (in Zusammenhang mit chronischer Entzündung)
- Chronische Darmerkrankungen wie Reizdarm oder entzündliche Darmerkrankungen
- Hormonelle Störungen (z. B. Schilddrüsenprobleme, Zyklusstörungen)
- Chronische Schmerzen wie Fibromyalgie oder diffuse Muskel- und Gelenkschmerzen
- Schwächung des Immunsystems mit erhöhter Infektanfälligkeit
Entstehung der Entzündung
Verschiedenen Auslöser führen dazu, dass im Körper dauerhaft unterschwellige Entzündungsreaktionen ablaufen. Dabei werden entzündungsfördernde Stoffe freigesetzt, die das Immunsystem ständig aktiv halten. Diese Prozesse schaukeln sich gegenseitig hoch und können über längere Zeit wichtige Zellfunktionen stören, ohne dass man direkt etwas davon bemerkt.
Ursachen sind anhaltende Belastungen wie:
- Ungesunde Ernährung (z. B. Zucker, Transfette aus verarbeiteten Lebensmitteln)
- chronischer Stress
- Schlafmangel
- Umweltgifte oder Schadstoffbelastungen
- Darmflora-Störungen (Leaky Gut)
- virale Belastungen oder latente Infektionen (z.B. schmerzlose Zahnentzündung nach Wurzelbehandlung)
- Bewegungsmangel
Wie entsteht eine stille Entzündung?
Im Körper werden Entzündungsbotenstoffe wie IL-6, TNF-α und CRP1 freigesetzt, was das Immunsystem zu aktivieren. Auf Zellebene schaltet sich dabei ein zentraler Entzündungsregler namens NF-κB2 ein. Gleichzeitig entstehen reaktive Sauerstoffspezies (ROS)3, die oxidativen Stress auslösen, gesunde Zellfunktionen stören und insbesondere die Mitochondrien (Zellkraftwerke) schädigen – was die Entzündungsreaktion weiter verstärkt. Gestresste oder geschädigte Zellen senden zudem Gefahrensignale (DAMPs)4 aus, die das Immunsystem dauerhaft in Alarmbereitschaft versetzen. So gerät die Immunbalance aus dem Gleichgewicht, was Autoimmunreaktionen fördert und auf Dauer Organe, Stoffwechselprozesse und die körpereigene Heilung beeinträchtigen kann.
Folgen
Gewebeschädigung |
Stille Entzündungen fördern Umbauprozesse im Gewebe und Vernarbung (Fibrose). Betroffen sind besonders Gefässe (Arteriosklerose) Stille Entzündungen reizen die Gefässinnenwände, machen sie durchlässiger und fördern so die Ablagerung von Cholesterin und Immunzellen – das begünstigt die Bildung von Plaques, verengt die Gefässe und erhöht das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall. |
Fehlregulation des Immunsystems |
Normalerweise reagiert das Immunsystem gezielt und kontrolliert auf Infekte. Eine Daueraktivierung führt zu fehlgeleiteter Immunantwort. Autoimmunreaktionen, chronische Müdigkeit, „Overload“ bei Infekten (die Abwehr funktioniert nicht mehr effektiv oder die Erholung nach dem Infekt dauert ungewöhnlich lange). |
Entzündungen im Nervensystem |
Entzündungen können das Nervensystem betreffen (Neuroinflammation) – mit Folgen wie Brain Fog, Schlafstörungen, Reizbarkeit oder depressive Symptome. |
Stoffwechselentgleisung |
Entzündung verändert, wie der Körper Zucker, Fette und Energie verarbeitet. Insulinresistenz, Fettstoffwechselstörung, metabolisches Syndrom (Übergewicht, Bluthochdruck, hohe Blutzuckerwerte, ungesunde Blutfettwerte) |
Chronische Entzündungen
Dauerhafte Reizungen wie eine chronische Zahnwurzelentzündung, virale Reaktivierungen (z. B. EBV), entzündetes Gewebe oder langwierige Nebenhöhlenentzündungen halten das Immunsystem ständig aktiv. Dabei werden entzündungsfördernde Botenstoffe wie Interleukin-6, TNF-α und CRP freigesetzt, und zentrale Schaltstellen wie der NF-κB-Komplex bleiben dauerhaft aktiviert und so zu stillen Entzündungen führen.
Darmfunktion – Leaky-Gut
Bei einem Leaky Gut ist die natürliche Barrierefunktion des Darms beschädigt. Dadurch gelangen Bakterienbestandteile, Pilze, unvollständig verdaute Nahrungsproteine und andere Stoffe fälschlicherweise ins Blut. Das Immunsystem erkennt diese Stoffe als körperfremd und reagiert mit einer Abwehrreaktion. Das Immunsystem wird dadurch dauerhaft aktiviert – stille Entzündungen entstehen.
Mitochondrienschädigung
Mitochondrien sind die Kraftwerke der Zelle – sie produzieren den Großteil der Energie in Form von ATP5, die der Körper für alle lebenswichtigen Prozesse benötigt. Außerdem regulieren sie den Zellstoffwechsel und spielen eine zentrale Rolle bei der Steuerung von Zellwachstum.
- Mitochondrien-Schädigung: Wenn Mitochondrien beschädigt sind, senden sie Gefahrensignale (DAMPs) aus – ein Alarmsignal für das Immunsystem.
- Aktivierung des Immunsystems: Diese Signale lösen eine chronische, unterschwellige Immunreaktion aus – es kommt zu stillen Entzündungen.
- Oxidativer Stress entsteht: Geschädigte Mitochondrien produzieren selbst vermehrt freie Radikale (ROS). Diese belasten den Körper zusätzlich.
- Teufelskreis beginnt: Die freien Radikale schädigen erneut Mitochondrien, Zellstrukturen, Eiweiße und Fette – was die Entzündungen weiter verstärkt.
- Gestörte Zellkommunikation: Durch die beschädigten Mitochondrien wird die normale Steuerung von Entzündungen gestört – die Abwehrreaktionen laufen aus dem Ruder.
Stress
Stress aktiviert dauerhaft die Stresshormone (Cortisol & Adrenalin). Bei kurzfristigem Stress hilft Cortisol, Entzündungen zu bremsen. Bei chronischem Stress ist das Cortisol jedoch dauerhaft erhöht, was langfristig die natürliche Immunregulation stört und aus dem Gleichgewicht bringt. Bestimmte Abwehrzellen werden gehemmt, andere überaktiv. Das Immunsystem reagiert unkontrolliert – bestimmte Entzündungsstoffe (z. B. IL-6, TNF-α) bleiben aktiv und führen so zu unterschwelligen stillen Entzündungen.
Bewegungsmangel
Vermehrte Bildung von Bauchfett |
Bei Inaktivität lagert der Körper vermehrt Fett im Bauchraum ein (viszerales Fett). Dieses Fettgewebe ist hoch stoffwechselaktiv und setzt entzündungsfördernde Botenstoffe frei: (z. B. TNF-α, IL-6 und sogenannte Adipozytokine) Diese Substanzen halten das Immunsystem in einem Dauer-Alarmzustand. |
Beeinträchtigter Zucker- und Fettstoffwechsel |
Bewegungsmangel begünstigt Insulinresistenz, Fettstoffwechselstörungen und oxidativen Stress. Diese Stoffwechselveränderungen fördern zellulären Stress, der wiederum NF-κB aktiviert – den zentralen Schalter für Entzündungsprozesse. |
Vermehrte Bildung von Bauchfett |
Bei Inaktivität lagert der Körper vermehrt Fett im Bauchraum ein (viszerales Fett). Dieses Fettgewebe ist hoch stoffwechselaktiv und setzt entzündungsfördernde Botenstoffe frei: (z. B. TNF-α, IL-6 und sogenannte Adipozytokine) Diese Substanzen halten das Immunsystem in einem Dauer-Alarmzustand. |
Schlechtere Durchblutung und Lymphfluss |
Körperliche Inaktivität verlangsamt die Zirkulation von Blut und Lymphe. Dadurch werden Abfallstoffe und Entzündungsprodukte langsamer abtransportiert, was lokale Entzündungsreaktionen begünstigt.* |
*Schon moderate, regelmäßige Bewegung (z. B. 30 Minuten Gehen täglich) hat nachweislich entzündungshemmende Effekte.
Schlafmangel
Aktivierung von Stresshormonen |
Zu wenig oder schlechter Schlaf wird vom Körper als Stress empfunden. Das aktiviert die Stresshormone Cortisol und Adrenalin – Das Immunsystem wird dauerhaft leicht „angeschaltet“ |
Weniger Reparatur & Zellregeneration |
Im Tiefschlaf regeneriert der Körper Zellen, entgiftet das Gehirn (Glymphatisches System) und dämpft Entzündungen. Bei Schlafmangel fehlen diese Prozesse – Zellschäden häufen sich, was wiederum stille Entzündungen fördern kann. |
Erhöhte Entzündungsbotenstoffe |
Studien zeigen: Schon eine Nacht Schlafentzug kann die Werte von entzündungsfördernden Zytokinen wie IL-6, TNF-α und CRP erhöhen. Diese Botenstoffe sorgen dafür, dass das Immunsystem dauerhaft aktiv bleibt. Störung des Darm-Mikrobioms Chronischer Schlafmangel verändert auch die Zusammensetzung der Darmflora (Dysbiose), schwächt die Darmbarriere; dies kann zu einem Leaky-Gut führen was wiederum stille Entzündungen auslösen kann. |
Transfette
Transfette sind eine Untergruppe der ungesättigten Fettsäuren, welche bei der Lebensmittelverarbeitung entstehen (erhitzen von Ölen, z. B. beim Frittieren und mehrfach verwendetem Frittierfett). Sie gelten heute als Mitverursacher von stillen Entzündungen.
- Sie verändern die Zellmembranen und stören Immunfunktionen.
- Sie aktivieren NF-κB, was entzündungsfördernde Botenstoffe freisetzt.
- Sie blockieren entzündungshemmende Signale, sodass Entzündungen nicht gestoppt werden.
- Sie fördern Stoffwechselstörungen wie Insulinresistenz und Bauchfett (viszerales Fett) – beides weitere Entzündungstreiber.
Toxine
Chronisch reizende Umweltgifte oder Toxine (z. B. Schwermetalle, Pestizide, Lösungsmittel, Schimmel, Mikroplastik etc.) können im Körper unterschwellige Entzündungsprozesse auslösen:
- Zellschäden durch Toxine führen zur Freisetzung sogenannter Gefahrensignale (DAMPs) – diese aktivieren das Immunsystem.
- Es kommt zu oxidativem Stress, was Zellen, Mitochondrien und Gewebe schädigt und die Entzündung als Folge weiter verstärkt.
- Die Entgiftungssysteme (Leber, Darm, Niere) werden überlastet – Schadstoffe stauen sich im Gewebe und verstärken den Entzündungsreiz zusätzlich.
Hinweis: Sämtliche medizinische Inhalte dienen lediglich der allgemeinen Information. Sie dienen ausdrücklich nicht als Ersatz für professionelle Diagnosen, Beratungen oder Behandlungen durch ausgebildete Fachpersonen.
- IL-6, TNF-α und CRP sind entzündungsfördernde Botenstoffe, die vom Körper bei Stress, Infektionen oder Zellschäden freigesetzt werden und anzeigen, dass das Immunsystem aktiv ist ↩︎
- Der NF-κB-Komplex steuert die Aktivierung von Genen, die an Entzündungsreaktionen, Immunabwehr, Zellüberleben und Stressreaktionen beteiligt sind. ↩︎
- Oxidativer Stress entsteht: Geschädigte Mitochondrien produzieren selbst vermehrt freie Radikale (ROS). Diese belasten den Körper zusätzlich ↩︎
- DAMPs (Damage-Associated Molecular Patterns) sind körpereigene Alarmsignale, die bei Zellschäden freigesetzt werden und das Immunsystem aktivieren. ↩︎
- Adenosintriphosphat (ATP) wird in einem komplexen chemischen Prozess in den Mitochondrien aus Nährstoffen gebildet und dient dem Körper als direkte Energiequelle für nahezu alle Zellfunktionen ↩︎